Lektion 159: Hände weg von undankbaren Zähnen. Dazu gehören v.a. die supertief zerstörten Zähne, die nach Stiften rufen. Im aktuellen Fall haben wir vor zwei Jahren zum Stift gegriffen, um einen auf Zahnfleischniveau abgekrachten unteren Prämolaren wieder pfeilertauglich zu machen. In der aktuellen Rö-Kontrolle sieht die Sache sehr ordentlich aus. Was wegen der Überstopfung nicht hundertprozentig zu erwarten war.
Fallbeispiele
Wurzelkanal verschwunden
In seltenen Fällen scheinen sich Wurzelkanäle zwischen Kronenpulpa und Wurzelspitze aufzulösen: In der Abbildung eines unteren linken kleinen Backenzahnes verschwindet der ordentliche schwarze Strich im Röntgenbild wenig unterhalb des Zahnhalses (Kreis). Hier liegen normalerweise keine Obliterationen vor, vielmehr verzweigen sich die breiten Kanäle in schmale Kanälchen. Bei untern Prämolaren ist das durchaus zu erwarten.
Und zwar mindestens einmal im Jahr. Also gut aufpassen und zunächst mit vorgebogenem Instrument den zweiten Kanal ausspähen. Dann den Zugang entsprechend ausformen und ganz gelassen zwei Kanäle aufbereiten. Zum Abschluß sich darüber freuen, dem Schlitzohr Röntgenbild nicht auf den Leim gegangen zu sein.
Entscheidungsfindung III/Bitte nicht stören!
Einige Wochen nach der Nahtentfernung ist das Weichgewebe vollständig ausgeheilt – auch bei genauem Hinschauen sind keine Narbenzüge zu erkennen. Bei der äußerst schonenden Präparation der Gingiva mit einem sogenannten Spaltlappen wurde nur die Schleimhaut mobilisiert, die daraunter liegende Knochenhaut blieb unversehrt. Die Vorteile: Kein Verlust an befestigter Gingiva, keine postoperative Schwellung, kaum Schmerzen. Letzteres stand im vorliegenden Fall für die Patientin im Vordergrund, ging es darum, im Anschluß an unseren Eingriff ein möglichst ungestörtes verlängertes Wochenende auf Achse geniessen zu können.
Gewußt wo
Wenn unsere Patienten vom „Zahn aufbohren“ reden, sprechen sie über eine Aufgabe die es in sich hat: die Trepanation (engl. access). Der sogenannte „straight line access“, also der möglichst geradlinige Zugang zum Wurzelkanalsystem entscheidet in einer nicht zu unterschätzenden Weise über den weiteren Verlauf der Behandlung und damit auch über Erfolg oder Misserfolg.
Deshalb heißt es auch „straight access is key to success“. Es reicht aber auch ein ordentliches „gewußt wo“. Für Backenzähnen gilt nach unserer Erfahrung möglichst weit mesial und möglicht weit buccal, also genau da, wo trepanieren (aufbohren) ungemütlich ist und größtmögliche Konzentration erfordert.
Entscheidungsfindung III
In der Behandlungsplanung gehören die Entscheidungen über Erhalt oder Entfernung eines Zahnes zu den schwierigsten. Im dargestellten Fall traten Schmerzen am wurzelbehandelten und überkronten Zahn auf. Eine Revision der Wurzelkanalbehandlung wäre sicher nur unter Entfernung des Stiftes möglich gewesen, dazu ist die Abnahme der Krone erforderlich. Ausgehend von einem hohen Zerstörungsgrad der Zahnkrone stellt sich die Frage nach der langfristigen Prognose des Zahnes. Diese ist nach unserem Dafürhalten schlechter als die Versorgung der Lücke mit einem Implantat. Kostenseitig sind sich beide Behandlung ebenbürtig: es handelt sich um Behandlungsformen, die die gesetzlichen KVen nicht übernehmen. In unserem Fall entschied sich die Patientin fürs Implantat. Die Vorgehensweise:
Zunächst wird der Zahn möglichst schonend entfernt, nach rund acht Wochen Wartezeit wird das Implantat eingesetzt. Die weitere Versorgung des „Dübels“ erfolgt frühestens nach drei Monaten, Fortsetzung folgt.
Nachtrag
Nachtrag zur meisterlichen Neuversorgung: so sahs vorher aus. Ein gemeiner Abplatzer an einer rund 10 Jahre alten Keramikarbeit. Da würd man schon mal gerne drin stecken um rauszufinden, worans lag.