Es geht los. Am Morgen davor ein Anruf in der Praxis, leichte Nervosität in der Stimme meiner Frau Katja. „Wo ist dein Reisepass?“ Sie checkt gerade online ein und braucht die Passnummer. Erneuter Anruf wenig später, dieses Mal unter Tränen: „Dein Pass ist abgelaufen!“ Irgendwie war ich der irrigen Annahme aufgesessen, für Japan reicht der vor drei Jahren erneuerte Perso. Schöner Blödsinn. Also Foto besorgen, ab aufs Amt und Express-Pass besorgen. Denn morgen ist es zu spät, unserFlieger geht bereits um 11 Uhr. Die Stewardessen der KLM erinnern an Jackie B. in Tarantinos gleichnamigen Film und servieren in der 747 ab Amsterdam japanisches Hühnchen mit Stäbchen, was gut schmeckt und mit einem veritablen Fleck auf meinem Hemd endet.
Heiligabend.. „Kennen Sie japanisches beef?“ Wir sitzen direkt neben dem Arbeitsplatz von Küchenchef Stefan Resch und ich bin komplett aus dem Häuschen. Nicht nur das Essen ist eine Offenbarung, dazu kommt die Umgebung im 52. Stock über den Dächen von Tokio, rechts von mir geniesst Katja den Abend, dazu der Blick in die Küche, in der rund 12 Köche flitzen. Dirigiert von Resch, der sich dazwischen immer wieder zu einem Schwatz hinreissen lässt. So etwa zum japanischen Steinbutt oder zum beef. In der Tat ist Wagju-beef etwas ganz besonderes, erstaunlich dicht im Geschmack und von einer Konsistenz, die schwer zu beschreiben ist. Am ehesten mit einem Spargelköfpchen, welches eben noch dem Druck der Zunge wiederstanden hat um plötzlich nachzugeben …. Irgendwann kommt Restaurantleiter George Akes dazu – er ist Schweizer – und führt uns ums Karré. Er arbeitet seit zwei Jahren in Tokio und hat so manche Merkwürdikeiten erlebt in einer Stadt, in der 12 Millionen Menschen auf engstem Raum miteinander auskommen müssen. Er legt uns einen spot in Ginza ans Herz … aber dazu später. Danke an die Beiden für ihr herzliches Willkommen!
25 ter. Tokio speist in einer Unzahl an kleinen Läden, erkennbar an einem Art Vorhang vor der Tür. Wir stehen vor einer Sushi-Bar auf dem Areal des Fischmarktes und blinzeln am Vorhang vorbei in den Gastraum. Drinnen hält jemand die Hand hoch und zeigt zwei. Katja und ich gehen rein, es fallen freundlich klingende japanische Worte und wir bekommen zwei Plätze zugewiesen und eine Karte in die Hand. Wir zeigen auf einmal dies und einmal das, kurz später steht superfrisches Sushi vor uns auf dem Tisch von unendlicher Leckerheit. In allen Restaurants wird Wasser gereicht, immer lausig kalt, und meist auch grüner Tee, gleichwohl auch das ein oder andere Bier konsumiert wird. Abends sind wir in Asakusa und mir knurrt der Magen. Wieder hinter einen Vorhang schauen, ich spekuliere auf eine Nudelsuppe. Wieder freundliche Worte, „no noddles, hotpot!“ Der Gastraum ist mit Tatami-Matten ausgelegt, man speist auf dem Boden sitzend oder man tut so als ob: denn es gibt auch Plätze mit einer entsprechenden Vertiefung unter dem Tisch. Aber vorher Schuhe ausziehen. Ein jüngerer Mann spricht ein paar Brocken englisch und erklärt uns wie´s geht – bald steht eine flache Schale vor uns auf dem Kocher, darin eine Portion Fisch, vielleicht Sardinen? Es schmeckt köstlich, satt werden wir davon aber nicht. Nächste Empfehlung. Dieses Mal diesselben Fische mit Ei. Im Restaurant servieren zwei ältere Frauen was an italienische Familienbetriebe erinnert. Alle kommen einmal an unseren Tisch, immer sehr freundliches Nicken und rührendes Sorgen um uns. Leichte Irritation beim jüngeren Majordomus als wir eine dritte Portion bestellen. Dieses Mal das ganze gebraten und mit Reis. Irgendwie sind fast benommen von einer unendlich rührenden Gastfreundschaft, es wird viel gelacht und wir haben das Gefühl, richtig willkommen zu sein.
26 ter. Auf dem Heimweg, kurz vor dem Hotel: Hunger. Bars mit Ramen-Nudelsuppen gibts an jeder Ecke, als wir eintreten zeigt der Kellner/Koch erstmal auf einen Automaten, auf den Tasten steht nicht ein Wort, das ich lesen kann. Aber Kellner hilft. Wir zeigen auf Bilder im Fenster, er zeigt auf Tasten und den Schlitz für die Scheine. Von genau wissen was kommen wird kann zwar nicht die Rede sein, doch steht bald eine dampfende Suppe auf dem Tisch, einfach und wohlschmeckend. Dazu plärrt der Fernseher im Hintergrund, die anderen Gäste ziehen gut hörbar die Nudeln in den Mund.
27. und 28 ter. Kusatsu-Onsen ist ein uraltes Heilbad, vier Busstunden von Tokio entfernt. Wir kommen am Abend an, es liegt ein leicht modriger Geruch nach faulen Eiernin der Luft, die Heilquellen eben. Anruf im Ryokan, einem traditionellen japanischen Hotel, welches uns die Concierge in Tokio reserviert hat. Ich werde meinen Namen los und verstehe in der Antwort einzig und allein „ten minutes“. 10 Minuten später steht eine kleiner PKW vor unserer Nase und wir werden über verschneite Straßen durch die Gegend spediert. Das Ryokan verfügt über Onsen, heiße Quellen, die im Falle von Kusatsu stark schwefelhaltig sind. Üblicherweise bucht man ein Ryokan mit Frühstück und Abendessen. Während das Frühstück wählbar ist („japanese or american breakfest?“) ist in unserem Falle der lunch japanisches Essen und das ist ein richtiges Erlebnis. Die Qualität der Speisen ist sehr hoch, präsentiert wie Kunstwerke. Appetizer mit Meeresfrüchten. Zart geschnittenes Sashimi zum Grillen auf einer kleinen heißen Platte. Befremdlich ist manchmal die Textur der Gerichte: so wird gelegentlich geliert, was bei uns so nicht geschieht wie z.B. Kaffee.
29. und 30. ter. Zurück in Tokio. 4 Uhr 30 aufstehen, Tsukij-Fischmarkt. Wir sind kurz nach 5 da, auf dem Gelände ist der Teufel los. Es ist eng zwischen den Ständen, eine Menge Besucher, noch mehr Menschen, die einkaufen. Dazwischen brausen die kleinen Motor-Lieferwägelchen durch, beladen mit Kisten voller Köstlichkeiten oder 5 tiefgefrorenen Thunfischen. Die thuna-auction ist über den Jahreswechsel für Besucher geschlossen, von weitem können wir aber in eine Lagerhalle schauen, in der eine lange Reihe tiefgefrorener Thunas auf dem Boden liegen. An den Ständen alles was das Herz begehrt: Fische ohne Ende und Meeresfrüchte der verschiedensten Sorten: riesige Muscheln und Austern, alle mögliche Schnecken, Krabben, Abalonen.
Ginza ist das Einkaufsparadies schlechthin. Alle Nobelmarken dieser Welt eifern um die Gunst der shopping-victims mit mehr oder weniger ausgefeilten Ideen. Abercrombie und Fitch seien derzeit am weitesten vorne, so Akes in seinen Empfehlungen zu speziellen highlights der Stadt. Und zwar damit: A&F´s shop verfügt auf einer Grundfläche von vielleicht 12 auf 12 Meter über 11 Stockwerke, die Fassade besticht durch eine noble Zurückhaltung in spiegelndem Braun. An den Türstehern vorbei betritt man den Laden, dröhnende beats knapp unterhalb Diskothekenlautstärke nehmen die Besucher in Empfang. Auf allen Stockwerken warten sehr gutaussehende Verkaufsberater/innen auf Kundschaft, alle immer in Bewegung, niemals stillstehend. Sie tanzen einfach den ganzen Tag. Das Treppenhaus des Ladens ein einziges rieses Gemälde mit szenenhaften Darstellungen britischen Landlebens der 30er Jahre, dahinfließend, mitreißend, ohne Anfang, ohne Ende. Am Abend. Die großen Kaufhäuser in Ginza verfügen für gewöhnlich über Restaurant-Etagen, wir fahren in einen 12 Stock hoch und schauen was es gibt. Vor jedem Restaurant ein Paar Stühle oder eine Bank für wartende Gäste – ist gerade kein Platz frei übt man sich in Geduld. Wir entscheiden uns für ein Dim-Sum Restaurant und zwar hauptsächlich deshalb, weil man von der Wartebank aus in die Küche schauen und kann und alles was es dort zu sehen gibt ziemlich lecker aussieht. Ein Koch fertigt die kleinen flachen Teigrohlinge für die Taschen einzig mit einem großen dünnen Beil, ein anderer faltet zügig und hingabevoll. Eines wie das andere, unglaublich.
31 ter. Tokio fährt Bahn. Auf den ersten Blick ist der Metroplan verwirrend, der Umstand das es mindestens zwei verschiedene Betreiber mit unterschiedlichen Tarifen gibt trägt nicht gerade zur Klärung bei. In Wirklichkeit ist es superharmlos. Macht Laune und man sieht viel. Wie z. Bsp. auf einer Fahrt in der führerlosen Bahn von der Shimbasi-Station über die rainbow-bridge auf die künstlich aufgeschüttete Insel in der Tokyo-bay. Der Jahreswechsel steht vor der Haustür, wir gönnen uns eine Verschnaufpause im Hotel, werden fauler und fauler und zappen durchs Fernsehprogramm. Ein klassisches Konzert im TV, ein Blick auf den Dirigenten und Katja bemerkt trocken: „Das ist Helmut Rilling von der Stuttgarter Bach-Akademie. Bei dem habe ich schon im Chor gesungen.“ Und erzählt von ihren musikalischen Kindert- und Jugendtagen, was ich unendlich liebe, während ein japanisches Orchester „Freude schöner Götterfunken“ gibt.
Neujahr. Mit dem Bus nach Narita, am KLM Schalter wartet eine halbe Fußballmannschaft von Angestellten auf den Ansturm der Fluggäste nach Amsterdam. Wir wollen nur unseren Koffer loswerden, die Dame hinter dem counter tippt endlos auf ihrem keyboard herum. Stimmt was nicht? Schreibt und legt uns den Zettel hin. Ob wir jetzt gleich über Paris fliegen möchten statt in zwei Stunden über Amsterdam? Wenig später rennen wir Richtung gate, „your seats are in the upper deck!“ Der Flieger sieht ziemlich neu aus, wir haben zwei Sitze am Fenster und Gang, sieht richtig kuschelig aus und als die Durchsage kommt „welcome on bord on our airbus 380“ bin ich erstmal sprachlos. Eine Stunde später die Ernüchterung: in der Reihe vor uns ein manierierter Franzose der Reden hält, keinen Augenblick still sitzt und ständig die Wolken fotografiert. Ich lästere ausgiebig an Katja hin, die charmante Flugbegleiterin bietet gerade Kaffee an, prompt landet eine halbe Tasse auf meiner Hose. Kleine Sünden bestraft der liebe … Mitten in der Nacht sind wir wieder in Stuttgart, als wir vor den Haus stehen schaut unsere Katze wie gewohnt aus dem Fenster wenn wir kommen, wieder da?
Allgemeines. Uns ist das Reisen in Japan sehr leicht gefallen. Cash an den ATM`s bei den 7-eleven-shops mit der ec-Karte. Iphone verfügt über den 3G Standart und funktioniert deshalb, allerdings ist das Laden schwierig, da nur wenige Hotels 220 Volt anbieten. Es wird gerne und häufig um Reservierung gebeten, so z. Bsp. im expressway-bus oder für den Bus zum Flughafen. Das lässt sich leicht über den Concierge im Hotel erledigen, die nach unserer Erfahrung derlei Dinge gerne erledigen. Die Orientierung in den großen Metro-Sationen Tokios wie z.Bsp. Shinjuku ist echt schwierig, da ändern auch die überall angebrachten Hinweise nix. Hier ist etwas Geduld erforderlich. Oder Fragen. „Do you speak english?“ Das ist aber alles nichts gegen den großen Spaß in diesem fantastischen Land mit seinen fremden und sehr freundlichen Bewohnern.