Ein Abstecher nach Berlin. Und als Experten in Sachen Heimweh lieber etwas kürzer und dafür …
Tim Raue. „Klappt das mit den Stäbchen?“ frägt die junge Dame freundlich, nachdem sie uns eine ganze Reihe kleiner blauen Schälchen voller Köstlichkeiten serviert hat – ja, das klappt und los gehts in einen Abend voller aromatischer Überrraschungen und Einzigartigkeiten, die ihresgleichen suchen. Dienstag-abend nach Ostern, die Reservierungen in Tim Raue´s Restaurant halten sich in Grenzen. Die Stadt sei ausgeflogen bemerkt später Restaurantleiter und Sommelier Macionga, den Speisen tuts kein Abbruch, das team aufmerksam und entspannt.
Das Essen. Ein Spiel von Aromen und Texturen, von Formen und Farben. Gerne mit einer versteckten, im Hintergrund präsenten Schärfe, die dem Gericht gut tut und die Wahrnehmung schärft. Aber was sagt man zu Seeigeleis, zu blauem Hummer mit Passionsfrucht und Ingwer oder zur Jasmintaube? Jeder Teller kommt als Kunstwerk an den Tisch, ermahnt zu einem Augenblick der Stille und Bewunderung bevor die Neugierde die Oberhand gewinnt, Geschmack sich entfaltet und zum Abschluss der Soßenlöffel auch noch den allerletzten Fitzel des Soßenspiegels aus 20 Jahre altem Reiswein vom Porzellan kratzt.
Die Getränke. Bewundernswert, was Sommelier Macionga an den Tisch bringt. Ob eine Spätlese von der Mosel, eine Art Portwein aus Lanzarote oder ein köstlicher japanischer Sake, die Abstimmung mit den Gerichten ist fantastisch. Und immer dabei: eine Anekdote zum Wein. Ein, zwei kurze Sätze über das Besondere an dieser Flasche, ich liebe das! Ein highlight sicher die Peking Ente in der Interpretation TR die in drei unterschiedlichen Zubereitungen serviert wird und demtentsprechend auch von drei verschiedenen Weinen begleitet wird. Unglaublich.
Fazit. Die fernöstliche Handschrift Tim Raue´s ist für uns etwas ganz besonders. Sicherlich nicht Speis und Trank zu jeder Gelegenheit, mehr ein Abenteuer für Geschmack und Sinn. Und dieses Abenteuer sollte man sich nicht entgehen lassen.
Margaux. Michael Hoffmann steht für mich als der Vertreter einer spannenden Kräuter- und Gemüseküche dargestellt nicht nur in regelmäßigen Beiträgen, sondern auch in einem herrlichen Buch, welches ich seit gefühlten Ewigkeiten in meiner Küche liegen habe. Weniger um die Rezepte akribisch nachzukochen – ein Ding der Unmöglichkeit – und mehr um Anregungen für meine eigene Kocherei zu finden.
Gemüse. Das vegetarische Menü im Margaux besteht aus acht Gängen. Das ganze liest sich so: _Sellerie, Radieschen, Karotten, Gartenkräuter_Topinambur, Schnittlauch, Trockenpflaume, Quitte, Limone_Gemüse, Textur&Boullion_Birne, Bohnen, Dill, Minze, Bohnenkraut, Himbeeren_Szegediner Kohl, Paprika, Lauch, Schafsmilch_Haferwurzel, Hefe, Erdmandeln, Malz_Aubergine, Süßkartoffel, Rauch, Pak Choi, Schnittlauch, roter Rübenfond_ Zitrone, Yoghurt, Tee, Molke, Rauchmandeln. Und es isst sich so: aufregend, komplex, abenteuerlich, vielschichtig. Das Ganze in meisterlicher Präzision an den Tisch gebracht, auf bildschönem Hering-Porzellan dargeboten, in Form von glasklaren, unendlich kraftvollen Brühen, fluffigen Gelees oder sämigen Soßen, auf den Punkt gegarten Produkten oder kross getrockneten Elementen.
Die Überraschung. Der Gang Topinambur, Schnittlauch, Trockenpflaume in Kombination mit Quitte und Limone – ein fantasievolles Spiel von Texturen, Aromen, Formen und Farben. Der Fond aromatisiert mit einem Traubenkernöl das nach Marzipan schmeckt, dazu ein Pinot blanc aus dem Elsaß, der exakt die Aromen wiederspiegelt.
Michael Hoffmann. Gegen Ende des Abends frage ich unseren sehr aufmerksamen Kellner, ob auch der Chef im Hause sei. Ja, das sei er, ist die Antwort mit leichter Überraschung in der Stimme, er sei aber auch sehr scheu und zurückhaltend. Er müsse schauen, ob er etwas für uns machen könne. Nach dem letzten Gang, aber vor dem Finale aus Schokolade, Olivenöl, rosa Pfeffer, Kakao und Curry, Essig-marshmellows, Esterhasy, Cassis, Lebkuchen und rote Beete tritt Hoffmann an den Tisch. Sympathisch, authentisch und klug, mit wachsamen Augen. Wir unterhalten uns eine Weile, bis Frau Hoffmann den Küchenchef an die große Tafel abzieht. Schade, denke ich etwas traurig als er sich freundlich verabschiedet, da gäbe es noch einiges Interessantes zu erfahren ……