Die Uhr zeigt kurz vor 8, wir sind gerade über unser Bestellbuch gebeugt und gehen die Patienten des Tages durch. Vorgesehene Behandlungsmaßnahmen, gibt es etwas besonderes zu beachten, müßen spezielle Instrumente bereitgestellt werden? Die Eingangstür öffnet sich energisch und Patient A. tritt beherzt ein. Er stellt sich vor, ein Blick in die Liste und klar ist, das Herr A. ein satte Stunde zu früh bei uns eingetroffen ist. Ein Mißverständnis in der Terminvereinbarung. Bei Ihm, bei uns? Mein team etwas verunsichert – Ich versuche die Szene etwas zu entschärfen. Kurz nach 8 trifft die bestellte Patientin ein und wir beginnen mit unserem Tagesprogramm. Wenig später eine kurze Diskussion an der Anmeldung, Wortfetzen dringen in das Behandlungszimmer. Tendenz dicke Luft. Wenig später ein Einlenken des überpünktlichen Patienten. Die Stimmung in der Praxis heitert etwas auf.
Punkt 9 Uhr Wechsel im Behandlungszimmer. Patient A. tritt ein, kurze Begrüßung, ein kleiner Schlencker zum Mißgeschick und wieder zurück zum Überweisungsauftrag. Ich höre konzentriert zu, kläre auf, beantworte Rückfragen und unterbreite einen Behandlungsvorschlag. Die Revision der Wurzelkanalbehandlung verläuft nur teilweise gut, mesiobuccal ist nichts zu machen. Eine Stunde später. Der Zahn ist soweit behandelt, das Mikroskop wieder in Parkposition an der Wand. Nachbesprechung. Ich bin mit dem Behandlungsergebnis dahingehend zufrieden, als daß ich das bestmögliche aus der schwierigen Situation machen konnte. Pat. A. teilt meine Meinung nicht. Die von mir vorgeschlagenen „Nacharbeiten“ stimmen wenig mit dem überein, wie er sich das Behandlungsergebnis vorgestellt und wie wir sie auch eingangs unter Zugrundelegung der Röntgenaufnahmen besprochen hatten. Die augenblickliche Szene erinnert unwillkürlich an den „Einstand“ von Patient A. in unserer Praxis vor rund einer Stunde. Aber anders als vorhin höre ich mehr auf die Zwischentöne in der Patientenaussage, die Sorge wegen vielleicht schmerzhafter Behandlungen, verloren gehenden Zähnen und einer sich immer länger hinziehenden Odysee durch Zahnarztpraxen mit ungewissem Ausgang. Ich nehme die Befürchtungen ernst, kläre in den unklaren Punkten weiter auf und frage zurück. Eine Viertel Stunde später scheint die Sonne nicht nur vor den Praxisfenstern, sondern auch im Behandlungszimmer. Der Tonfall ist nicht mehr sarkastisch bis resigniert und dafür neugierig und optimistisch. Wir verabschieden uns, in einem zweiten Termin gilt es eine weiteren Zahn zu behandeln. Dies dürfte ein Routineeingriff werden und wenig spektakulär. Sehr gespannt bin ich auf das Ergebnis der Arbeit an der der Seele, ich wäre zufrieden und dankbar, hätte ich hier etwas erreichen können. Leben mit Carl I.