Am Tag danach gönne ich mir praxisfrei, räume die Sachen ausm Auto, hänge alles zum Trocknen in die Sonne und fahre mit der Mühle durch die Waschanlage. Was man eben so macht, wenn ein Dreh- und Angelpunkt der vergangenen Monate erledigt ist, abgehakt, Geschichte. Aufräumen, Putzen, Weitersehen.
Heute ist der Tag nach dem Frankfurt Ironman, während die Oberschenkel schmerzen ist der Geist ist angenehm frei und klar. Und dankbar. Das alles gut gelaufen ist, die Mühen der letzten sieben Monate sich gelohnt haben. Dankbar für die Klitzekleinigkeiten. Der Teilnehmer der sein bike neben dem meinem stehen hat und mir ordentlich von seinem Melkfett abgibt. Für meinen Nacken, der sonst nach einer Stunde neoschwimmen schmerzen würde wie Hölle. Ein anderer hat einen orangenen sks-Rennkompressor dabei und ich komme tatsächlich noch in den Genuss von 8 bar in den Reifen, 15 Minuten vor dem Rennen und im allergrößten Stress. Oder Bettina und Petra von Tria Echterdingen, denen ich auf dem Weg zum Schwimmstart begegne – zwei von 2.350 Teilnehmern – und die noch einen blendenden Tipp fürs Schwimmen haben: immer auf die Powerbar-Flasche am gegenüberliegenden Ufer zielen, dann bist du auf dem richtigen Kurs. Und Detlev, auch vom Verein und als Zuschauer beim Start, der mir liebevoll den Neo zubastelt. Und noch vieles mehr.
Schwimmstart in Frankfurt ist Waschmaschine pur. Es wird geschubst, gedrängelt und weggeschoben was geht. Die Kunst ist seinen eigenen Weg durch dieses Chaos zu finden und möglichst nicht außen rum zu schwimmen. Es hagelt diverse Volltreffer auf die Schwimmbrille, glücklicherweise keinen auf die Zähne. Ich komme gut weg und kann mich auf einer knappen Linie nahe den Bojen halten. Die Radrunde fällt ins schlechte Wetter mit Höhepunkt auf der zweiten Runde: der Wind hat derart aufgefrischt, das die Atheleten schräg auf ihren Rädern hängen, damit sie die Böen nicht von der Strasse pustet. Aber es gibt ja immer zwei Seiten einer Geschichte: Die Klamotten sind ratzfatz wieder trocken und die Finger und Zehen tauen auf. Vier Runden entlang des Mains und fertig ist der Marathon, so der Plan. Mein Wechsel aufs Laufen gelingt gut und ich mache zügig Strecke. Wie gehabt mit der Spezial-Diät. Immer einen Schluck Cola in den Mund, die restliche Portion aus dem Becher landet auf dem shirt. Dazu etwas Banane. Auch die düsteren Kilometer zwischen 20 und 30 gehen vorbei, danach beginnt der Traum Wirklichkeit zu werden: das finish auf der zweiten Langdistanz.
Oft wurden mir vor dem Wettkampf folgende Fragen gestellt:
Warum Ironman? Ich laufe seit nunmehr 20 Jahren, mein erster Marathon war in Berlin 1991. Seitdem laufe ich, aus Lust am Laufen, am Draußen sein, am Alleine sein. Ein Ausflug in den Triathlon endet 1993 so schnell wie er begonnen hatte: Der Anzug fürs Freiwasserschwimmen war finanziell nicht darzustellen und blitzeblau steige ich als gefühlt allerletzter aus dem Schömberger See. Entweder Anzug oder … Die Entscheidung fällt zu Gunsten des oder bzw. des Marathon. Zurück bleibt die tiefe Faszination an der Ikone des Triathlon: der Langdistanz über 226 Kilometer. Vor einigen Jahren dann ein neuer Anlauf im Triathlon. Nicht zuletzt deshalb, da das Training dreier Disziplinen wesentlich ausgeglichener ist als nur einer. Und es kam wie es kommen musste, die erste Langdistanz 2009 …
An was denkst du die ganze Zeit? Der Ironman hat keinen Philosophen aus mir gemacht, soviel ist sicher. Vielleicht müsste die Frage eher so lauten: Was fühlst du beim Ironman? Da ist die Antwort einfacher: Da ist ein ganz grosses Stück Dankbarkeit, wie schon erwähnt. Freude darüber dabei sein zu können, die Möglichkeit zu haben, sowas erleben zu dürfen. Das hierbei zig Stunden Training dahinter stecken, ist merkwürdigerweise keine Überlegung in diesem Augenblick. Dann ist da noch ordentlich Selbstvertrauen und ein Rest von der Angst, aus den Tagen vor dem Wettkampf ;-))
Ist das dein letzter Ironman? Nein. Wäre schade um die großartigen Sporterlebnisse, die da noch warten.