Restaurantkritik im zahnblog.
Die Gebelsbergstrasse in Stuttgart-Heslach ist nicht gerade die Ausgehmeile des Stadtteils, vom Typ eher dunkle Einbahnstrasse mit Anwohnerparken. Vor einigen Jahren hat es Benjamin Breitenbach hierher verschlagen – erst als Geheimtipp gehandelt (Wo soll das sein? In HESLACH?), bis dann die Auszeichnung in der Futterbibel kam. Samstag-Abend sind alle Tische besetzt, Mitarbeiter im feierlichen Schwarz zischen lautlos durch den Gang.
Das Essen. Die Speisekarte im Breitenbach ist übersichtlich gehalten: Neben den rund sieben à la Carte Positionen wird ein Fünf-Gänge-Menü angeboten. Daneben stehen einige Desserts zur Auswahl sowie Käse als Eis oder in einer Auswahl. Für mich gibts das Januar-Menü in der Kombination Bacon&Egg Sandwich neu interpretiert, Wachtel und Adlerfisch. Den Abschluss soll ein Schokoladenkuchen sein, eine Remineszenz an einen Besuch vor Jahren. Damals die absolute Überraschung, ja eigentlich der Hammer: Im Inneren des flauschigen Schokokuchens verbarg sich ein flüssiger Kern! In der Folge gelang es Gemahlin und Dessert-Expertin Katja rasch, den Schokokuchen nachzukochen – er ist seither regelmäßiger Bestandteil unser nun ja, aufwändigeren Menues.
Was mich in der gehobenen Küche am meisten fasziniert ist das Spiel mit Aromen und Texturen, in Form von Cremes, Schäumen, Espumas. Kleinen Köstlichkeiten eben, denen man den Genuss nicht unbedingt ansieht … und die oft mehr als anspruchsvoll in ihrer Zubereitung sind. Und so bin ich nach den beiden Grüßen aus der Küche, u.a. eine Aal-Rilettes, einem kleinen Flan, einer winzigen Tarte, verschiedenen pochierten Gemüsen und einem Griff in den Brotkorb recht gespannt auf meine Vorspeise, die Neuinterpretion des Frühstück-Klassikers. Bald steht in einem tiefen Teller Breitenbachs Zauberei vor mir, die rein farblich tatsächlich an Toast mit Schinken und Ei erinnert. Auch ist was grünes dabei, vielleicht eine hommage an die unverzichtbare Salatgarnitur? Zumindest was letztes angeht, tue ich mir mit der Dekonstruktion des Allerweltsfühstücks etwas schwer, das pochierte Ei hingegen erfreut mit schmelzendem Eiweiß und leckerem Dotter. Sommelier Bergs Weinempfehlung zu diesem Gericht ist ein Grauburgunder österreichischer Provenienz, von dem ich mir leider nicht den Namen behalte … cremig-sahniges Mundgefühl, nussig, eine gute Wahl. Weiter mit der Wachtel in Brust und Keule auf einem zarten Topinambur-Püree und etwas Mangold. Ein schönes, bodenständiges Gericht und bis ins Detail perfekt durchgearbeitet. Dazu ein erdig-mineralischer Schwarzriesling von Schnaitmann aus Fellbach, ebenfalls gut abgestimmt. Es folgt ein kleiner Zwischengang in Form eines erfrischend fruchtigen Paprikaschaumsüppchen, das heiß und deftig aufgetragen wird. Bevor aber der Hauptgang angereicht wird, tritt Sommeleier Berg an den Tisch, um auch mit seiner nächsten Empfehlung ins Schwarze zu treffen: Beurers Sauvignon blanc ist der Wein zu Adlerfisch neben cremigen Zitronengras-Perlgraupen, Okraschoten und Mango. Auf dem Teller die Aromen von Zitrone und Mango, im Glas Melone und Maracuja eingebettet in ein feines Säuergerüst, Leckerschmackofatz. Natürlich ist auch der Fisch auf den Punkt gegart, vielleicht hat er noch etwas glasig die Pfanne verlassen und im Pass Wärme mitgenommen, nun auf dem Tisch ist gerade durch, fest und saftig. Den Übergang zum Dessert bildet ein kleiner, leckerer Pudding, in dem sich die exotischen Aromen des Hauptganges wiederfinden (es war sowas wie Orange oder Vanille), um schließlich in einem abenteuerlich leichten Maracuja-Espuma einen spektakulären Abschluss zu finden. Dagegen stürzt der kleine Schokoladenkuchen, mit dem Vanilleeis wohlgemerkt das Hauptthema des Desserts, regelrecht ab. Der Banjuls ein angenehmer Begleiter zu Schokolade, vielleicht etwas zu brav? Unterm Strich ein spannendes, gut durchkomponiertes Menue mit angenehmer, tendenziell eher zurückhaltender Weinbegleitung.
Der Wein. Sommelier Berg hat gleich zu Beginn eine anspruchsvolle Aufgabe zu stemmen. Wir sind zu viert und was den Wein angeht, nicht unbedingt einer Meinung. Katja und ich verlassen uns gerne auf die Empfehlungen des Sommeliers, unsere Begleiters wünschen einen Rotwein, der möglichst allen Gerichten gerecht werden sollte. Bitte kräftig und ohne Holz lautet der Zusatz. Jetzt kommt Berg fast ins Straucheln, möchte sich nochmal kurz zurückziehen um dann später eine Empfehlung auszusprechen. Es wurde dann ein Nero d´Avola, der unseren Begleitern sehr mundete.
Fazit. Irgendwie hatten wir es geschafft, fast alle Gerichte der Karte zu bestellen – so ergab sich bei jedem Gang ein abwechslungsreiches, farbenfrohes Bild auf dem Tisch. Die Gerichte kamen immer zusammen an den Tisch, die zeitlichen Abstände zwischen den Gängen waren perfekt abgestimmt. Hinterher waren alle Teller fein säuberlich leer geputzt, der Brotkorb geplündert, das Butterfass leer. Wir hatten einen Tisch ziemlich in der Mitte des Hauptraumes – trotz Vollauslastung ergab sich aber ein schöne und angenehme Atmosphäre, die den Speisen absolut gerecht wurde. Das dürfte auch das Verdienst des Personals sein, das, ich würde sagen tüchtig, umsichtig und vor allem sehr freundlich zu Werke geht. Wir empfanden die Preise mit rund 140€ pro Person als angemessen. Auf der (Herren-)Toilette in der Auslage: Zahnseide! Zusammen mit der richtig hellen Beleuchtung überm Waschtisch unschlagbar, wenns um die unvermeidlichen kleinen Fizzel zwischen den Frontzähnen geht ;-)) Hingehen, Reservierung obligatorisch.